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4. Juli 2016

Carl Dohmanns Juli-BT-Kolumne – erst Bulgarien, dann Rio

v.l. BW Innenminister Thomas Strobl, Carl Dohmann, Christopher Linke, MdL Tobias Wald

v.l. BW Innenminister Thomas Strobl, Carl Dohmann, Christopher Linke, MdL Tobias Wald

Seit Dienstag ist es also offiziell: Ich bin einer der 143 Athleten, deren Teilnahme an den Olympischen Spielen vom DOSB abgesegnet wurde – in der zweiten Nominierungsrunde am 28. Juni. Es war zwar nur noch Formsache, da ich die Norm schon seit Oktober habe und mit dem Weltcup im Mai den noch letzten nötigen Leistungsnachweis erbracht hatte. Doch seinen Namen auf der Liste der Nominierten zu sehen, gibt einem trotzdem ein Gefühl der Sicherheit und ist ein schönes Erlebnis in der Karriere eines Sportlers. Vielleicht ist es ein bisschen wie eine Eheschließung:

Den richtigen Partner hat man längst gefunden, das Ja-Wort sich insgeheim schon gegeben und die Zustimmung der Trauzeugen gesichert. Und doch glaubt man es erst richtig, wenn das Standesamt sie bestätigt hat. Es hätte ja irgendwie doch noch was dazwischenkommen können.

Beides, eine Olympia-Teilnahme und eine Ehe, kann zum Beispiel durch eine Verletzung noch scheitern. Und ob sie zufriedenstellend verläuft, wird sich sowieso erst noch herausstellen. Aber nun hat man es in der eigenen Hand – die Zustimmung „von oben“ zumindest wurde erteilt.

Es ist eine Chance, die ich nutzen will, schließlich kann man sie nur alle vier Jahre kriegen (also die Olympia-Teilnahme). Und deshalb fliege ich am Montag zunächst nach Bulgarien – doch dazu später. Erst will ich noch einen Blick zurückwerfen auf den 11. Juni, an dem Bühlertal kurz die Hauptstadt des deutschen Gehsports war. Die dortigen nationalen Bahnmeisterschaften fanden in familiärer Atmosphäre, aber trotzdem mit einigen Zuschauern und politischer Prominenz statt. Sie waren mein letzter Wettkampf in Deutschland in dieser Saison, und mein Start über 10000 Meter verlief äußerst zufriedenstellend. Endlich konnte ich den Badischen Rekord meines Trainers Robert Ihly aus dem Jahr 1989 brechen, verfehlte die 40-Minuten-Marke nur um knappe sechs Sekunden. Den Stempel drückte Christopher Linke vom SC Potsdam der Veranstaltung auf, mit einer neuen Weltjahresbestleistung. Hinter ihm wurde ich Deutscher Vizemeister – einen Platz vor meinem Trainingspartner Nathaniel Seiler, der nach Rückschlägen dieses Jahr erstmals zeigen konnte, was in ihm steckt.

Nach dem Rennen in Bühlertal gönnte ich mir eine Woche Pause – ein letztes Innehalten vor dem großen Wettkampf. Schließlich müssen Körper und Kopf zwischendurch auch mal abschalten, wenn sie die nächsten zwei Monate durchgehend funktionieren sollen. Seit zwei Wochen bin ich nun wieder im Training, und das ist auch nötig, denn es sind nur noch sieben Wochen bis zum 19. August – dem olympischen 50-Kilometer-Gehen. Wie bereits im Winter hole ich mir die Form dafür in der Höhe (auf knapp 2000 Meter) – und zwar in Bulgarien, im Sportzentrum vom Belmeken.

Dieses liegt im Rila-Gebirge, irgendwo zwischen Sofia und der Grenze zu Griechenland, im absoluten Niemandsland. Es wurde 1968 errichtet – die Geher der DDR nutzten es mehrmals im Jahr, und auch nach der Wende kamen deutsche Geher jedes Jahr dorthin. Ich habe bereits die EM 2014 und die WM 2015 dort vorbereitet, und dieses Jahr wird es das Trainingscamp für die vier deutschen Olympia-Qualifikanten im Gehen sein. Aber auch Läufer, Kraftsportler, Radfahrer und Biathleten (auf Skirollern), vor allem aus Osteuropa, trifft man dort an. Nur bulgarische Gewichtheber werden wir nicht bei der Olympiavorbereitung sehen. Sie sind wegen Dopings ebenso endgültig für die Olympischen Spiele gesperrt wie inzwischen die russischen Leichtathleten. Anders als die Trainingsorte der Fußballnationalmannschaft setzt das Belmeken-Zentrum nicht auf Luxus, sondern ausschließlich auf gute Trainingsbedingungen und Regenerationsmöglichkeiten, Vollverpflegung, Kompaktheit und Ruhe – die nächste Stadt liegt 35 Kilometer entfernt. Die Gehstrecken sind anspruchsvoll: sehr hügelig und eben bis zu 2000 Meter hoch gelegen. Wir gehen an einem Stausee entlang, der vor wenigen Jahrzehnten errichtet wurde, und wegen dem auch immer wieder einige Ruderer dort trainieren.

Bis zum 27. Juli werde ich mich in Bulgarien aufhalten. Doch danach geht es nicht gleich nach Hause, sondern erst nach Hannover: Zur Einkleidung für die Olympischen Spiele.